Ein Zeitzeuge großer Pläne und verpasster Chancen…


Das 19. Jahrhundert war für Eisenach eine Zeit des Aufschwungs. Es war die Zeit der deutschen Romantik: die Menschen zog es in den Bann unzähliger Sagen und Märchen. Sei es über St. Elisabeth, die Minnesänger, die Thüringer Landgrafen etc. … Richard Wagners Tannhäuser und vor allem der Wiederaufbau der Wartburg erledigten in dieser Region ab etwa 1850 den Rest: Eisenachs Tourismus blühte auf und es zog hunderte wohlhabende Menschen in die Stadt, die hier am Fuße der „deutschesten aller Burgen“ ihren Lebensabend verbringen wollten. So entstand die Südstadt als Deutschlands größtes Villenviertel aus dieser Zeit. Im Jahre 1900 wurde für Hofkonditor Franz Schmidt auch die heutige Villa Antik errichtet, zu sehen im linken Hintergrund des ersten Vergleichsbildes.
Die Stadt entwickelte ihren Stolz und große Pläne: man wollte Kurstadt werden vom Range Baden-Badens. Diese Ideen mündeten in den Bau verschiedener Kurhotels (das größte unter ihnen war das Kurhaus Hotel Fürstenhof), den Ausbau des Johannistals und 1906 zum Bau einer Wandelhalle mit Kiosken und Trinkbrunnen.
Das Gebäude im wilhelminischen Stil erinnert noch heute an diese Zeit – und auch daran, dass Eisenach diese Chance verschlafen hatte, gab es doch schon seit der Mitte des 19. Jahrhundert etliche andere Kur- und Badeorte in der Umgebung (Bad Salzungen, Bad Liebenstein, Bad Berka, Ruhla, Bad Thal etc.)
So interessant Bad Eisenach auch geklungen hätte – der Kurbetrieb nahm nie wirklich Fahrt auf und wurde durch den Ersten Weltkrieg, die Weltwirtschaftskrise und den Aufstieg der Nationalsozialisten zusätzlich schwer getroffen, sodass die Visionen von der Kurstadt zu füßen der Wartburg im Jahr 1938 endgültig aufgegeben wurden. Die Wandelhalle diente weiterhin als Veranstaltungsort, wurde jedoch kaum gepflegt und sollte in den 1960ern sogar abgerissen werden. Da aber das Geld für einen angemessenen Neubau fehlte, unterblieb dieses Vorhaben. Sie war bereits stark sanierungsbedürftig als 2004 endlich mit den Renovierungsarbeiten begonnen wurde, die im Frühjahr 2019 mit der Rekonstruktion des historischen Terrazzobodens beendet werden konnten.
Die Wandelhalle besaß im Zentrum (in einer Nische gegenüber der Bühne) einen Trinkbrunnen, der mit Wasser aus der Großherzogin-Karolinen-Quelle in Wilhelmsglücksbrunn bei Creuzburg gespeist wurde, wofür eigens eine Wasserleitung verlegt wurde.
Die Halle selbst diente zum Flanieren (Wandeln), Ausruhen und Plauschen. Auf der Straßenseite der Halle befanden sich im Inneren kleine Kioske und Lädchen. Auf der offenen Parkseite hatte man Bäumchen und Pflanzkübel zwischen Bänken platziert, die zum Verweilen einluden. Die Bühne in der Mitte der Halle wurde für regelmäßige kleine Konzerte genutzt, die die Kurgäste Eisenachs hier besuchen konnten.
Obwohl die äußere Erscheinung der Halle fast 120 Jahre nach ihrer Erbauung weitgehend erhalten blieb, gibt es doch rings herum deutliche Unterschiede zu damals. Die Vergleichsbilder stammen von etwa 1910 und zeigen die Parkseite der Wandelhalle deutlich grüner als heute. Geschwungene
Beete, Zierbüsche und grüne Kränze schmückten die Halle und den Außenbereich, während Besucher dort ihre Runden drehten.
Obwohl die äußere Erscheinung der Halle fast 120 Jahre nach ihrer Erbauung weitgehend erhalten blieb, gibt es doch rings herum deutliche Unterschiede zu damals. Die Vergleichsbilder stammen von etwa 1910 und zeigen die Parkseite der Wandelhalle deutlich grüner als heute. Geschwungene
Beete, Zierbüsche und grüne Kränze schmückten die Halle und den Außenbereich, während Besucher dort ihre Runden drehten.
Vermutlich in den 40er oder 50er Jahren wurde der Platz frei gemacht. In den 60ern standen dort jedenfalls bereits Bankreihen, die für Veranstaltungen zur Bühne gerichtet waren. Im Zuge der Sanierung der Wandelhalle wurde 2013/2014 auch ihr Vorhof umgestaltet und für Veranstaltungen weiterhin nutzbar gemacht.
Obwohl es sich zweifellos um ein sehr hübsches Ensemble handelt, würde der Halle etwas mehr Grün sicher gut stehen. Es ist eine schöne Vorstellung, könnte man die Wandelhalle auch heute noch in den Sommermonaten ähnlich wie auf den historischen Ansichten gestalten.
Bilder:
Früher:
Sammlung Alexander Lambrecht
Ansichtskarte
ungelaufen, um 1910
Heute:
Alexander Lambrecht
Fotografie
20. Mai 2023
Früher:
Sammlung Alexander Lambrecht
Ansichtskarte
ungelaufen, um 1910
Heute:
Alexander Lambrecht
Fotografie
30. April 2022