Stadtschloss 1862

Ein herzogliches Residenzschloss ohne Herzog…

Beschäftigt man sich mit der Eisenacher Stadtgeschichte stößt man unweigerlich auf die Jahreszahl 1741 sowie auf den Namen Ernst August I.
Beide spielen für die Geschichte der Stadt und das Stadtbild eine wichtige Rolle, denn 1741 erlosch mit dem Tod des kinderlosen Herzogs Wilhelm Heinrich das Haus Sachsen-Eisenach und das Herzogtum fiel vertraglich an das Haus Sachsen-Weimar.
Dessen Herzog Ernst August I. herrschte nun in Personalunion über das neu entstandene Doppelherzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach und war sowohl ein jagd- als auch ein baubegeisterter Mann. Ersteres war der wesentliche Grund, weshalb er seine Hofhaltung dauerhaft in den von Wäldern und Tälern geprägten Eisenacher Landesteil zu verlegen plante. Dafür standen ihm Schlösser in Eisenach, Wilhelmsthal und Marksuhl zu Verfügung.
Seine (trotz hoher Staatsschulden) große Baufreudigkeit führte jedoch dazu, dass er schon im Januar 1742 einen Schlossneubau an der Nordseite des Eisenacher Marktplatzes in Auftrag gab.
 
Diesem Befehl ging wohl aber auch ein Konflikt mit der Witwe des toten Eisenacher Herzogs voraus. Anna Sophie Charlotte sollte des Landes verwiesen werden und daher aus Wut befohlen haben, das Residenzschloss „bis auf den letzten Nagel“ ausräumen zu lassen. In der Folge ließ Ernst August das leere Schloss auf der Esplanade weitgehend abreißen und umgehend ein neues am Markt errichten.
Den Auftrag dafür erhielt (wie auch bei diversen anderen Schlossneubauten) der Hofbaumeister Gottfried Heinrich Krohne. Angesichts knapper Staatskassen war dieser jedoch verpflichtet, so schnell und kostensparend wie nur möglich zu bauen. Dafür sollten zum einen Abbruchmaterialien des alten Schlosses verwendet und die auf dem Bauland stehenden Bürgerhäuser aufgekauft und in den Neubau miteinbezogen werden. Allerdings mussten die Hausbesitzer teils noch jahrelang auf die Auszahlung des Kaufpreises warten.
Am Bau des Schlosses waren diverse Gewerke beteiligt, so waren neben Zimmerleuten, Steinmetzen, Maurern und Schlossern z.B. auch Maler aus Erfurt, Stuckateure aus Weimar, Tapezierer und Tischler beschäftigt.
Um Kosten zu sparen und die Baugeschwindigkeit zu maximieren, wurde frisch geschlagenes Holz verbaut und darauf verzichtet, die Fundamente der miteinbezogenen Häuser zu verstärken. Beides führte schon während der Bauarbeiten zu Fäulnis und statischen Problemen. Folglich fanden Änderungen an der großen Dachkonstruktion statt; es mussten sogar ganze Bereiche eines neu aufgestockten Geschosses abgetragen und wiederaufgebaut werden. Ebenso wurde statt eines geplanten Mittelturms nur ein Altan auf das Dach des Schlosses gesetzt. Auch die Verzierungen der Fassaden waren schon zehn Jahre nach Vollendung des Schlosses so schadhaft, dass sie abgenommen oder zumindest vereinfacht werden mussten. So verschwanden zum Beispiel ein steinerner Giebel samt Vasen über dem Mittelteil der Fassade, aber auch Kapitelle und die für den Barock typischen Stukkaturen, von dem sich nur noch einige Elemente an den Fassaden des Innenhofs erhalten haben. Dadurch wirkt das Eisenacher Stadtschloss, das in dieser Gestalt schon auf der Ansicht von 1862 zu sehen ist, heute als eher schlichter, beinahe schon klassizistischer Bau, besitzt aber im Inneren hübsch gestaltete Räume mit barockem Dekor und prachtvollen Parketts, die teilweise noch aus dem alten Residenzschloss auf der Esplanade stammen.
Herzog Ernst August I. hatte nicht viel von seinem Schloss – noch bevor es fertig wurde, starb er 1748. Sein noch minderjähriger Sohn Ernst August II. Konstantin erbte den Thron – die Staatsgeschäfte wurden daher bis 1755 von Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg geleitet und der Hofstaat danach wieder zurück nach Weimar verlegt. Das neue Eisenacher Stadtschloss blieb bis 1918 lediglich eine Nebenresidenz der (ab 1815 Groß-)Herzöge Sachsen-Weimar-Eisenachs, wurde allerdings nur selten von diesen bewohnt. Sie zogen es vor, sich im Sommer in Wilhelmsthal bzw. ab Mitte des 19. Jahrhunderts auf der Wartburg aufzuhalten.

Bilder:

Früher:
Édouard Humbert
„Château d’Eisenach.“
aus:
Édouard Humbert, 1862
„Dans la Foret de Thuringe. Voyage d’étude“
Federzeichnung
1862

Heute:
Alexander Lambrecht
Fotografie (verzerrt)
3. August 2021