Historische Stadtbefestigung

Die Eisenacher Stadtbefestigung ist heute größtenteils aus dem Stadtbild und den Köpfen verschwunden, doch war sie einst ein für die Sicherheit der Stadt essenzielles Bauwerk. Die Mauer wurde im Jahre 1216 erstmals schriftlich erwähnt, doch dürfte sie bereits um 1170 unter Landgraf Ludwig II. entstanden sein, als dieser die Wartburg zu seiner Residenz ausbauen und das junge Eisenach zeitgleich als „Hauptstadt“ seines Territoriums zu entwickeln begann.
Der Verlauf der Stadtmauer sowie sie selbst unterlagen im Laufe der Zeit mehrfachen Änderungen, doch war sie im Schnitt etwa 2,8 Kilometer lang, bis zu 8 Meter hoch und bis zu 2,50 Meter stark. Sie war von einem teilweise gefluteten Stadtgraben umgeben und besaß zehn Aufstiegs-, sieben Wach- und fünf Tortürme: im Osten das Nikolaitor, im Westen das Georgen-, im Süden das Frauen-, im Südwesten das Prediger– und im Norden das Nadeltor. Zwischen der Mitte des 13. und dem Anfang des 14. Jahrhunderts wurden Nikolai-, Georgen- und Frauentor durch je ein Vortor ergänzt. Den eingefassten Bereich zwischen einem Haupt- und seinen Vortoren nennt man allgemein Zwinger,  da dieser dazu diente, bspw. Gegner zwischen den Toren festsetzen zu können. In Eisenach lebt diese Bezeichnung im Namen eines Restaurants vor dem Nikolaitor bis heute fort.
Zwar bot die Stadtmauer im Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) schon keinen maßgeblichen Schutz mehr gegen moderne Schusswaffen wie Kanonen, doch wurde sie 1663 noch einmal umfassend in Stand gesetzt. Ab der Mitte des 18. Jahrhundert verlor sie endgültig an Bedeutung und verfiel. Als erstes Stadttor wurde 1786 das Nadeltor nahe des heutigen Jakobsplans wegen Baufälligkeit abgerissen und durch einen Schlagbaum ersetzt. Auch die anderen Tore wurden in der Folgezeit durch einfache Schranken ausgetauscht, denn die Tore (samt der noch stehenden Mauer) boten immer noch die Möglichkeit, den ein- und ausgehenden Verkehr kontrollieren und nachts ein Passiergeld kassieren zu können. So wurde 1817 das Georgentor, 1818 das Frauentor und 1829 schließlich das Predigertor abgerissen.
Seit dem 1. Oktober 1832 blieben die Tore bzw. Schranken durchgängig geöffnet, womit die Stadtbefestigung ihre letzte Funktion verlor. Ab 1835 wurden große Teile der Mauer niedergelegt und der Stadtgraben schrittweise verfüllt, um das Stadtwachstum nicht weiter zu behindern.
Seit den 1970er Jahren stehen die verbliebenen Reste der Stadtmauer unter Denkmalschutz, doch kam es während des Baus der  Plattenbauten entlang der Goethestraße dennoch zu weiteren Abrissen der dortigen Mauerreste.

Seit einigen Jahren werden Teile der Stadtmauer nach und nach restauriert.

Im weiteren Verlauf werden verschiedene Bestandteile bzw. erhaltene Reste der Stadtmauer näher beleuchtet.

 


VERLAUF DER STADTMAUER
Auf dieser Karte ist der ursprüngliche Verlauf der Stadtmauer grob eingezeichnet.

Rot markiert sind die verlorengegangenen Teile, die schwarzen Abschnitte existieren noch in Resten, gelb dargestellt sind die fünf Tore der Stadt.

Das rote Viereck im Norden, in etwa anstelle des heutigen Landestheaters, markiert die frühere Wasserburg Klemme, welche dort wohl zum Ende des Thüringer Erbfolgekriegs (~1264) errichtet wurde. Sie verfügte über ein weiteres eigenes Tor aus der Stadt hinaus bzw. in sie hinein.

Die folgenden Beschreibungen einzelner Stadtmauerabschnitte beginnen am Nikolaitor im Osten der Altstadt und folgen dem früheren Mauerverlauf entgegen des Uhrzeigersinns.

 

 


DAS NIKOLAITOR

Der erhaltene Torturm des Nikolaitores. Foto: Alexander Lambrecht, 2019.

Zu sehen ist hier das Nikolaitor (in manchen Quellen auch Nikolaustor, Klaustor oder Clästur genannt), das letzte erhaltene Stadttor Eisenachs und, um 1170 erbaut, das älteste noch erhaltene Stadttor Thüringens. Der romanische Torturm ist etwa 27,50 Meter hoch und weist an seinen beiden Flanken bis zu 1,50 Meter dicke Wände auf.
Gemeinsam mit dem Georgentor war es eines der beiden Tore, durch die die mittelalterliche Via Regia ihren Verlauf durch die Stadt nahm. Diese Heer- und Handelsstraße stellte bis in die frühe Neuzeit die wichtigste Ost-West-Verbindung Europas dar und reichte mit ihren Abzweigen von Portugal bis nach Russland und in die Ukraine.

Rekonstruktionszeichnung des Nikolaitores samt Zwinger und Nikolaikloster. Hanns Bock, 1928.

In der leeren Nische, die sich in der Südostecke des Turmes direkt unter dem Dach befindet, stand womöglich eine Skulptur des Heiligen Nikolaus, der als Schutzpatron der Kaufleute und Reisenden gilt. Über dem östlichen Torbogen blieben zwei weitere Skulpturen erhalten: links der Thüringer Löwe und rechts vermutlich Ludwig der Bärtige als Stammvater der Ludowinger, die im 12. und 13. Jahrhundert über etwa 110 Jahre hinweg die Thüringer Landgrafen stellten.

Vermauerter Zugang zum einstigen Wehrgang im Mauerwerk des Nikolaitores. Foto: Alexander Lambrecht, 2019.

Wie auch Georgen- und Marientor wurde das Nikolaitor um 1307 durch ein vorgelagertes Tor ergänzt, welches über Mauern (sog. Fittiche) mit dem Haupttor verbunden war und dadurch einen schmalen abriegelbaren Innenhof, den sogenannten Zwinger, schuf. Innerhalb der jeweiligen Zwinger führten hölzerne Brücken über den Stadtgraben, der die Stadtmauer umgab.
Diese Zwinger (zu sehen auf der Rekonstruktionsskizze von Hanns Bock) dienten dem Festsetzen von bspw. Angreifern und der zusätzlichen Sicherung der Haupttore. Auch erhielt durch diese Zwinger das Restaurant Der Zwinger seinen Namen, das sich lange Zeit im Erdgeschoss des Hotels Kaiserhof am Nikolaitor befand.

Bis 1832 wurde das Nikolaitor allabendlich geschlossen und konnte während der Sperrzeit gegen eine Gebühr passiert werden. Nachdem das Tor im 19. Jahrhundert seine Schutzfunktion verloren hatte, riss man 1835 das Vortor ab. Die Turmzimmer des Haupttores dienten danach zeitweise als Gefängniszellen. Später sollte dieser zugunsten eines besseren Verkehrsflusses abgerissen werden, was aber von der Eisenacher Bürgerschaft verhindert wurde. Stattdessen wurde 1888 ein weiterer Torbogen anstelle des Gebäudes zwischen dem Torturm und der Nikolaikirche geschaffen.

Heutzutage wird nur noch das Zimmer im ersten Obergeschoss als Teil des Restaurants Turmschänke genutzt. Von 2013 – 2015 wurde das Nikolaitor umfassend restauriert. An seiner Nordseite sieht man noch heute den Türbogen der Pforte, durch die man bis etwa 1307 die an dieser Stelle etwa zehn Meter hohe Mauer betrat, ehe sie wahrscheinlich im Zuge des Baus des Zwingers nach Osten verschoben worden war.

– aus Sandstein aus dem Eichholze erbaut
– stärkster und höchster Torturm Eisenachs
– regelte Verkehr von/nach Gotha und Langensalza
– Vortor (womöglich um 1306 erbaut): brückenkopfartig erbaut, Holzgang über Stadtgraben, danach turmartiges Vortor, beide Tore mit Eisen beschlagen, Vortor ca. 30-40 Schritte von Haupttor entfernt, mit diesem durch Fittiche verbunden (Zwinger), die keinen Einblick zuließen
– Fittiche wohl im 30j. Krieg schon verschwunden und durch Häuser ersetzt –> Enge Bebauung


DER NORDÖSTLICHE ABSCHNITT
Stadtmauerrest zwischen Bahnhof- und Schillerstraße. Foto: Alexander Lambrecht, 2019.

Der nordöstliche Abschnitt der Eisenacher Stadtmauer besaß eine Länge von ca. 400 Metern und führte vom einstigen Vortor des Nikolaitores, das gemeinsam mit dem heute noch bestehenden Haupttor einen sog. Zwinger einschloss, bis zur Wasserburg Klemme, die sich im Norden der Altstadt am Ort des heutigen Theaterplatzes befand. Von diesem Stadtmauerabschnitt existieren heute noch ca. 130 Meter, davon etwa 40 Meter zwischen Bahnhof- und Schillerstraße bzw. ca. 90 Meter zwischen Schiller- und Nicolaistraße.

Stadtmauerrest in der Schillerstraße, mit Infotafel und Stumpf des Gackturms. Foto: Alexander Lambrecht, 2019.

In diesem Abschnitt im Nordosten der Stadt war die Mauer im gesamten Bereich zwischen Nikolaitor und Klemme mit lediglich einem Aufstiegs- und einem Wachturm, dem sog. Gackturm, dessen Stumpf noch heute vorhanden ist, ausgestattet – vermutlich da das feldseitige, flache Gelände einen ausreichend guten Überblick zuließ und durch den Stadtgraben bzw. die nah vor der Mauer fließenden Mühlgräben auch ein gewisser Schutz bestand, den es zum Beispiel im bergigen Süden der Stadt nicht gab. Bei diesen beiden Mühlgräben handelte es sich um den heute noch vorhandenen (Nesse-)Mühlgraben im Norden und den einst darin mündenden Hörselmühlgraben im Osten. An letzterem siedelten sich im Mittelalter Gerber an, deren kleine Häuschen direkt an die Stadtmauer angebaut und nur mit Brücken über den Hörselmühlgraben erreichbar waren.

 

Reste eines Gebäudes, das nahe der Nicolaistraße in die Stadtmauer eingebaut wurde. Foto: Alexander Lambrecht, 2019.

Die Stadtbefestigung ist in diesem Abschnitt in eher kleinteiligem Bruchsteinmauerwerk aus verschiedenen Gesteinen ausgeführt, es überwiegt jedoch der Anteil am roten sog. Wartburgkonglomerat – einem tonhaltigen, nicht sehr witterungsbeständigen Gestein. Das war möglicherweise einer der Gründe dafür, dass 1721 ein Teil der Mauer um das sog. Brauseloch herum einstürzte. Das Brauseloch befand sich direkt neben dem Gackturm und war die Öffnung in der Stadtmauer, durch die der damals noch oberirdisch fließende Löbersbach die Stadt verließ.

Neben den Resten des ehemaligen Gackturms haben sich im Nordostabschnitt der Stadtmauer auch die Reste eines weiteren Bauwerk erhalten, das in die Mauer integriert wurde. Es handelt sich dabei um ein Gebäude nahe der Nicolaistraße, das wohl im 18. oder frühen 19. Jahrhundert in die Mauer eingebaut wurde. Ein oben genannter Aufstiegsturm befand sich außerdem im Bereich zwischen Nikolaistraße und dem heutigem Theaterplatz und ist nicht erhalten.
– Stadtgraben an Nordostabschnitt wahrscheinlich komplett mit Wasser gefüllt, östlicher Teil „Gackteich“ genannt, eventuell aus Löbersbach gespeist
– Versprung zwischen Mauerverlauf und Nikolaitor womöglich auf spätere Veränderung des Verlaufs zurückzuführen, um Platz für Nikolaikloster zu schaffen
– westliche Schillerstraße und südliche Sommerstraße einst Erschließungswege
– Änderungen des Mauerverlaufs zur Anlage des Clemdagartens durch Joh. Wilh. –> vergrößert bis an Sommer- und Goethestr. –> Mauer in den 1880er Jahren abgerissen, 1892 Helenenstraße auf Gartengelände angelegt

DIE KLEMME

Hauptartikel: Wasserburg Klemme

Zeichnerische (stadtseitige) Darstellung der Klemme mit ihrem Wassergraben und dem Marstall (rechts). Friedrich Adolph Hoffmann, um 1750.

Verstärkt durch einige Wach- und Aufstiegstürme, verlief die Stadtmauer in den ersten Jahrzehnten nach ihrer Errichtung als durchgängiger Mauerzug vom Nikolaitor im Osten bis zum Nadeltor im Nordwesten der Stadt. In die Zeit des Thüringisch-hessischen Erbfolgekriegs (1247-1264) fällt schließlich die Entstehung einer Burg am damals kaum bebauten Nordrand der Eisenacher Altstadt, die nicht nur als Residenz und Rückzugsort, sondern auch als Zugang zur Stadt dienen konnte. Die Stadt Eisenach wurde somit zwischen als Niederburg oder Neues Schloss bezeichneten Anlage im Norden und der Wartburg im Süden der Stadt „eingeklemmt“. So entstand die 1337 erstmals bezeugte umgangssprachliche Bezeichnung der Burg als Klemme (Klemde) bzw. Clemda.

Bei der Klemme handelte es sich um eine Wasserburg, d.h. sie war ringsum durch Wassergräben gesichert. Um einen quadratischen Hof herum befand sich Norden der Hauptbau sowie ein West- und ein Südflügel, zwischen denen ein hoher Turm (Bergfried) errichtet wurde. Der Zugang zur Burg erfolgte über zwei Tore – eines nach Norden aus der Stadt hinaus und eines nach Süden in die Stadt hinein. Beide Tore dienten ab 1512 auch als offizielle Stadttore, woraufhin sich auch die Begriffe Klemmtor bzw. Clemdator einbürgerten.

Im Jahr 1306 rebellierten die Eisenacher gegen Landgraf Friedrich dem Freidigen und versuchten, eine freie Reichsstadt zu werden. Als Ausdruck ihrer angestrebten Unabhängigkeit rissen sie die verhasste Klemme nieder, verfüllten ihre Gräben und belagerten erfolglos die Wartburg. 1308 musste sich die Stadt dem Landgrafen ergeben und auch die Klemme wiederaufbauen, die fortan u.a. als Amtsverwaltung diente.

Ausdehnung der früheren Burg auf einem Stadtplan von 1837. Aus: Plan von Eisenach, Friedrich August Carl Boeber, 1837.

Ab dem frühen 16. Jahrhundert wurde der Bergfried der Clemda als Gefängnis nutzt. Anfang des 17. Jahrhunderts wurde die Burg von Johann Ernst, Herzog von des 1596 entstandenen Fürstentums Sachsen-Eisenach, erworben und fortan als Jagdhaus genutzt.

Unter Herzog Johann Wilhelm erfolgten im frühen 18. Jahrhundert Anbauten für den herzoglichen Marstall und die Anlage eines barocken Lustgartens, des sog. Clemdagartens. Die Gewächshäuser dieses Gartens wurden 1790 zu einem Gasthof umgebaut, der ab 1816 als Konzerthaus Clemda betrieben und in den 1950er Jahren abgerissen wurde.

Ab 1822 wurde die alte Burg Klemme als städtische Kaserne genutzt. Im Zuge dieser Umnutzung wurden der Südflügel abgerissen und auch die stadtseitigen Gräben zugeschüttet. Diese Nutzung hielt bis 1870 an, als letzmalig Eisenacher Truppen die Klemme verließen, um in den Deutsch-Französischen Krieg zu ziehen. Als sie 1871 zurückkehrten, bezogen sie die in der Zwischenzeit fertiggestellte neue Kaserne in der Hospitalstraße. Nach über 600 Jahren endete damit die Geschichte der Burg, die bis 1877 abgerissen wurde.

An ihrer Stelle befinden sich heute der Theaterplatz, das 1873 fertiggestellte Haus II des Ernst-Abbe-Gymnasiums, das 1879 eröffnete Landestheater sowie das 1912 fertiggestellte Gerichtsgebäude. Heute erinnert nur noch die Clemdastraße an die einstige Burg.

 


DER NORDWESTLICHE ABSCHNITT

Der nordwestliche Abschnitt der Eisenacher Stadtmauer war etwa 550 Meter lang und führte von der Wasserburg Klemme im Osten parallel zur Goethestraße Richtung Westen zum Jakobsplan, nahe dem sich mit dem Nadeltor Eisenachs nördliches Stadttor befand. Von dort aus führte die Mauer weiter nach Südwesten entlang des heutigen Goethegartens bis zur Georgenstraße,wo sie auf das Georgentor mit seinem vorgelagerten Zwinger traf. Von diesem Stadtmauerabschnitt existieren heute noch ca. 195 Meter, davon etwa 130 Meter zwischen Jakobsplan und Hospitalstraße bzw. weitere ca. 65 Meter zwischen Hospital- und Georgenstraße. Weitere Stadtmauerreste, die sich noch bis in die 1970er Jahre am Rathenauplatz befanden, fielen – genau wie der Platz selbst – dem Neubau der dortigen Plattenbauten zum Opfer.

Auch der nordwestliche Stadtmauerabschnitt verfügte über einen vorgelagerten Stadtgraben und war mit zwei Wach- und zwei Tortürmen (Nadel- und Georgentor) bzw. einem Aufstiegsturm ausgestattet. Der Aufstiegsturm hat sich im Bereich des heutigen Goethegartens nahe der Hospitalstraße erhalten und bot seinerzeit zwischen Nadel- und Georgentor die einzige Möglichkeit zum Aufstieg auf die Mauer.

Von den beiden Wachtürmen zwischen Nadeltor und Klemme hat sich nichts erhalten. Ihr Standort wurde in den 1970er Jahren mit Plattenbauten überbaut. Zur Erschließung dieser beiden Türme dienten jedoch zwei Gassen, die sog. kleine und große Grüne Gasse, die beide noch bis in die 1970er Jahre vorhanden waren. Letztere führt heute als Teil der Jakobstraße bis zur Goethestraße – etwa auf Höhe der Jakobstraße 27 befand sich demnach einer der Türme.

Das Nadeltor, im Volksmund auch Nollentur genannt, war zunächst Eisenachs einziges nördliches Stadttor und befand sich nördlich des Jakobsplans bzw. des Bechtolsheimschen Palais etwa auf Höhe des heutigen Jakobsplan 19. Zwar stellten Nikolai-, Frauen- und Georgentor die drei wichtigsten Zugänge zur Stadt dar, doch war auch das kleinere Nadeltor nicht ganz unbedeutend, da es sich an der Hauptverbindung nach Mühlhäusen befand. Zwischen Eisenach und der freien Reichsstadt Mühlhausen bestanden rege Handelsbeziehungen, war doch Mühlhausen außerdem schon seit 1286 eine Hansestadt. Fünfhundert Jahre später war die alte Eisenacher Stadtbefestigung aber für die Verteidigung der Stadt weitgehend obsolet geworden und kostete außerdem viel Geld im Unterhalt. Die mittelalterlichen Stadttore waren noch dazu zu Nadelöhren für den immer stärkeren Verkehr geworden, erlaubten aber die Kontrolle des Ein- und Ausgangsverkehrs. So kam es, dass das Nadeltor im Jahre 1786 das erste der Eisenacher Stadttore war, das abgerissen und durch einen einfachen Schlagbaum ersetzt wurde.

Am westlichen Ende des Abschnittes befand sich das Georgentor, durch das die Via regia aus Westen kommend die Stadt erreichte. Es wurde 1817 abgerissen und verfügte mit seinem Vortor und Zwinger über einen ähnlichen Aufbau wie das Nikolaitor. Die Vortore Eisenachs waren der Überlieferung zufolge mit schweren und eisenbeschlagenen Toren ausgestattet und besaßen auf einem steinernen Unterbau ein Obergeschoss aus Fachwerk. An das Tor erinnert heute nur noch eine Steintafel am nördlich angrenzenden Stadtmauerrest, der hier noch über Schießscharten und eine beachtliche Höhe verfügt.

– 1905 Abbruch Stadtmauer für Hospitalstraße
– Nadeltor befand sich am Eingang Schulhof der alten Jakobschule
– Giebel des alten Hauses Jakobsplan 38 stand auf alter Stadtmauer
– Herkunft des Name „Nadeltor“ unsicher, eventuell wohl wegen seiner eigentümlichen Form -> Durchfahrt wirkte vom Jakobsplan aus gesehen wie ein Nadelöhr –> eventuell lebten dort Nadler
– sehr alter Namen (ca. 1400 naldin phorte), führte nach Creuzburg, Mühlhausen, Eichsfeld
– Tor beim Stadtbrand 1617 beschädigt, aber umgehend wiederhergestellt
– 1786 abgerissen, stattdessen Wachhaus eingerichtet
– Turm Große Grüne Gasse in den 1830ern noch dreistöckig vorhanden und bewohnt, genannt „Lilienburg“ –> Ausblick über Stadt und Umgebung soll toll wunderschön gewesen sein –> Ende 1896 nur noch Eingangstür in der Stadtmauer sichtbar
– Wachtturm an der Kleinen Grünen Gasse (Jakobsplan)
– Wachttürme allseitig geschlossen, Aufstiegstürme stadtseitig offen
– Mauer zeigt bei Posthalterei gut, dass sie nicht mit Zinnen besetzt war (wie am Nikolaitor 1887 nachgestellt), sondern über mannshohe Brustwehr mit Schießscharten verfügte (zeigt auch Merian)
– Stadtgraben am Nordabschnitt wahrscheinlich mit Wasser gefüllt (Clemda) –> womöglich aus Löbersbach und Mühlgraben gespeist
– Vortor (womöglich um 1306 erbaut): brückenkopfartig erbaut, Holzgang über Stadtgraben, danach kleines Vortor, beide Tore mit Eisen beschlagen, Vortor ca. 30-40 Schritte von Haupttor entfernt, mit diesem durch Fittiche verbunden (Zwinger), die keinen Einblick zuließen
– Mauerteil bei alter Posthalterei in nahezu voller Höhe erhalten. Kam Anfang des 20. Jahrhunderts nach Abbruch eines Gebäudes im Hof der Posthalterei zum Vorschein –> Wehrgang sehr schmal –> wahrscheinlich einst durch Holzböden ergänzt

 


DAS GEORGENTOR

– Jörgentur
– Georgenstraße, Posthalterei
– gegenüber ragte bis 20er Jahre Haus Nr. 49 weit in die Straße –> markierte Ende der innerstädtischen Georgenstraße
– aus Sandstein aus dem Moseberg erbaut, mit Fachwerkgeschoss
– Vortor (womöglich um 1306 erbaut): brückenkopfartig erbaut, Holzgang über Stadtgraben, danach Vortor mit Fachwerkaufsatz, beide Tore mit Eisen beschlagen, Vortor ca. 30-40 Schritte von Haupttor entfernt, mit diesem durch Fittiche verbunden (Zwinger), die keinen Einblick zuließen
– Tor beim Stadtbrand von 1617 schwer beschädigt, aber umgehend wiederhergestellt
– Fittiche wohl im 30j. Krieg schon verschwunden und durch Häuser ersetzt –> Enge Bebauung
– Ende des 18. Jh. Torflügel entfernt und durch Wachhaus mit Schlagbaum ersetzt
– im Torbogen waren an beiden Seitenwänden Kerben vorhanden, die der „Länge der Stadt-Mess-Ruthen“ entsprachen
– führte nach Hessen
– 1817 abgerissen

Sophie von Brabant:
– Eisenach im t.-h. Erbfolgekrieg umkämpft von S. v. B. und H. d. E. –> 1248 stellte sich Eisenach auf Seite Sophies und wurde daraufhin von Heinrich belagert –> Waffenstillstand und Übergabe Eisenachs auf H.s Versprechen, die Besitzfrage durch Schiedsgericht entscheiden zu lassen –> H. aber ließ sich Thüringen als Reichslehen bestätigen, statt sich an das Versprechen zu halten –> 1254 zieht Sophie mit Heer nach Eisenach und soll am Georgentor Einlass gefordert haben –> Eisenach hatte inzwischen die Seiten gewechselt –> Sophie schlug aus Zorn mit Streitaxt eine Kerbe in die Torflügel, die nach 2 Jh. noch sichtbar gewesen sein soll –> Bürgermeister Velsbach überzeugte Rat, sich Sophie anzuschließen und Sophie übernahm Eisenach erneut


DER WESTLICHE ABSCHNITT

– Wachttürme hinter dem Leihhaus (Storchenturm) und an der Münze (Münzturm)
– einst wahrscheinlich auch Stadtgraben vorhanden, aber topografiebedingt wahrscheinlich nicht (oder nur teilweise) mit Wasser geflutet
– Storchenturm aus Moseberger Sandstein erbaut, 1835 abgerissen

Predigertor:
– zwischen Oesterheldschem Haus und Friedhofseingang
– wahrscheinlich kein Vortor
– diente nicht dem überregionalen Verkehr, sondern nur nahem Verkehr, zB zur Wartburg, lag auch unweit des Steinhofes
– 1577 eingestürzt, danach wieder aufgebaut
– im Dreißigjährigen Krieg unter schwedischer Einquartierung von einem schwedischen Oberst zugeschüttet –> 1645 wieder freigelegt
– Stadtmauer wurde immer wieder ertüchtigt, als Eisenach Residenzstadt war –> 1663 Befehl zur Ausbesserung diverser Schäden der Mauer, zum Aufstellen von Leitern und Palisaden, zur Ausbesserung der Schießscharten und zur Besetzung mit Musketieren
– 1829 abgerissen für den Bau der Leichenhalle des Alten Friedhofs


DER SÜDLICHE ABSCHNITT

– Mauerabschnitt vom Predigertor bis Frauentor
– erhalten sind noch Teile unterhalb Hainweg (Fundamente) und Teile von Wingolfdenkmal bis Glockenhaus
– auch am Philosophenweg sollen als Stützmauer zum Kindergarten Reste der Mauer erhalten sein
– Barfüßerteich, 1717 dargestellt, noch 1837 dargestellt, im Rund zwischen Domstr. und Burgweg, Domstr. 17 –> einst Fischteich des Barfüßerklosters, später wegen weichem Wasser zum Waschen genutzt, außerdem als leicht verfügbares Löschwasser
– „Glockenturm“ ursprünglich Aufstiegsturm, stadtseitig offen, später mit Fachwerkwand verschlossen und ca. 1830 aufgestockt, um Turm bewohnbar zu machen, ggf. vorher schon hölzerner Aufsatz vorhanden –> spitzbogige Austrittspforte zur Mauer auf Nordseite noch vorhanden, aber vom 1585 erbauten Glockenhaus verdeckt
– in Fachwerkgeschoss hing kleine Glocke, die noch vom Dom stammen sollte und Stundenschlag der Georgenkirche läutete (auch noch nach dem Bau des Georgenkirchturms)
– Charlottenburg bis 1908 direkt unterhalb des Glockenhauses
– weiterer Aufstiegsturm am Pfarrberg, „in der Nähe der Kirchnerwohnung“
– eventuell zwei weitere Aufstiegstürme zwischen Glockenhaus und Frauentor, nicht mehr nachweisbar
– Stadtgraben entlang der Mauer ca. 8m breit, ca. 6m tief, lag topografiebedingt trocken –> Südwestbereich war schwächster Punkt der Stadtbefestigung: zweiter Graben von Predigertor bis Frauentor gezogen, ca. 15m breit, ca. 6m tief, dazwischen Erdwall aufgeschüttet –> Klosterweg führt noch heute teilweise durch diesen Graben
– bis 1889 noch südlicher Teil dieser Befestigungsanlagen weitgehend erhalten, danach schrittweise verschwunden mit Ausbau der Domstraße und Bau Villenkolonie Predigerberg –> Dr. Köllner kaufte Mauerabschnitt zum Bau von Haus Hainstein
– Erdwall zwischen den Gräben wurde abgetragen, um Stadtgraben „unterhalb des Barfüßerteiches“ aufzufüllen, wo heute Domstraße verläuft –> letzter Rest des Grabens sichtbar, wo sich Kindergarten Philosophenweg befindet –> deutlich tiefer als Domstraße
– Stadtgraben von Predigertor bis Glockenturm war von 1719 bis 1818 Schießgraben, daneben stand das Schießhaus, das Herzog Johann Wilhelm den Schützen geschenkt hatte –> Schützen waren keine Soldaten, sondern Bürger, die im Schießen geübt waren und für die Verteidigung der Stadt schon im Mittelalter äußerst wichtig waren
– zur Zeit Joh. Wilh. befand sich vor dem Glockenturm auch ein Platz zum Reiten und für Belustigungen des Hofes
– Stadtmauerreste in der Domstraße im Jahr 1896 abgerissen, bis dahin teilweise noch 8m hoch
– Dom war von Ost nach West ausgerichtet, seine beiden Westtürme wurden in Stadtmauer integriert (Reste bis 1896 sichtbar (oder Reste von Dr. Andreas Göpels ca. 1711 errichteten Schule aus Domsteinen, Mauer machte seltsamen Knick) –> wurden 1306 gemeinsam mit Klemme abgerissen, da sie erhebliche Schwachstelle in Stadtbefestigung darstellten

Heinrich d. E.:
– 1262 belagert Heinrich das von S. v. B. gehaltene Eisenach –> in einer stürmischen Nacht am 25.1. erstürmte er die Stadt an der steilsten Stelle der Mauer (Pfarrberg) –> Sturmglocke der Stadt alarmiert Besatzung des Metilsteins, die zur Unterstützung eilt –> Besatzung der Wartburg (von Heinrich gehalten) erstürmt den Metilstein von Mönch und Nonne aus und brennt ihn nieder –> Eisenach nun endgültig in Heinrichs Hand –> ließ Burg erbauen, um Eisenacher „einzuklemmen“

Frauentor
– stand auf Höhe Philosophenweg, der innerhalb entlang der Mauer verlief
– nach Dom benannt
– führte nach Nürnberg und Meiningen
– Vortor (womöglich um 1306 erbaut): brückenkopfartig erbaut, Holzgang über Stadtgraben, danach Vortor mit Fachwerkaufsatz, beide Tore mit Eisen beschlagen, Vortor ca. 30-40 Schritte von Haupttor entfernt, mit diesem durch Fittiche verbunden (Zwinger), die keinen Einblick zuließen
– Fittiche wohl im 30j. Krieg schon verschwunden und durch Häuser ersetzt –> Enge Bebauung
– Ende des 18. Jh. Torflügel entfernt und durch Wachhaus mit Schlagbaum ersetzt
– 1818 abgerissen


DER ÖSTLICHE ABSCHNITT

– Wachtturm gegenüber Felsenkeller, letzte Reste 1894 dem Ausbau der Wartburgallee zum Opfer gefallen –> Anfang/Mitte des 19. Jh. noch vorhanden, u.a. für Feuerwache genutzt, Sprachrohr
– weitere Aufstiegstürme nahe Karthäuserhof und zwischen Grimmel- und Felsenkellertor
– Stadtgraben wahrscheinlich größtenteils trocken, teilweise von Marien-/Grimmelbach durchflossen, danach als Löbersbach weiter durch die Stadt bis Gackteich geflossen
– 1721 Mauer unterhalb des Pflugensbergs wegen mangelnder Instandhaltung eingestürzt, 1722 wiederaufgebaut

G/Krimmeltor:
– 1816 Durchbruch in ehemaligem Aufstiegsturm Grimmelgasse –> Grimmelgasse einst Erschließungsweg, wie auch Grüne Gasse

Felsenkellertor/Löbertor:
– 1825 Durchbruch in ehemaligem Turm gegenüber Felsenkeller, Teil der Löberstraße zur Wartburgallee diente einst der Erschließung