Landestheater

Ein bedrohter Ort der Kunstfreiheit…

Eines der prominentesten Gebäude der Eisenacher Altstadt befindet sich an deren nördlichen Rand. Dort, wo sich einst an der nördlichen Stadtmauer die Wasserburg Klemme (oder Clemda) befand, die im 13. Jahrhundert erbaut wurde, um die Eisenacher zwischen sich und der Wartburg „einzuklemmen“, erhebt sich seit den 1870er Jahren das Große Haus des städtischen Theaters.
Vor ihrem Abriss ab 1870 diente die alte Wasserburg noch als Kaserne, deren Mannschaft im selben Jahr in den Deutsch-Französischen Krieg auszog und bei ihrer Rückkehr 1871 schon den Kasernenneubau in der Hospitalstraße bezog.
Im Anschluss entstand am Ort der abgetragenen Burg und durch großzügige Geldmittel des Fabrikanten Julius von Eichel nicht nur der Julius-von-Eichel-Platz, sondern an ihm auch das Großherzogliche Hoftheater, dessen Bau in Eisenach schon seit Jahrzehnten immer wieder geplant wurde, aber meist an Grundstücksfragen scheiterte.

Das neue Stadttheater war ein seiner Zeit entsprechend sehr modern ausgestattetes Haus, dessen grundlegender Aufbau sich bis heute nicht geändert hat: Betrat man es durch die drei Portale, gelangte man in eine großzügige Eingangshalle samt der Kasse. Die besser zahlenden Gäste gelangten von dort aus direkt in den Parkettbereich bzw. für etwas weniger Geld über ein schmuckvolles Treppenhaus auf den Balkon des Saals, dem eine Wandelhalle für die Pausen vorgelagert war.
Das zahlungsschwächere Publikum wurde über ein separates und äußerst schlichtes Treppenhaus bis ganz nach oben auf den zweiten Rang geführt. Der ca. 500 Zuschauer fassende Saal war durch Warmluftkanäle beheizbar und besaß eine ausgezeichnete Akustik. Die Bühne war u.a. mit einer modernen Löschanlage und Fahrstühlen ausgestattet.
 
Die Eröffnung des Hauses fand am 1. Januar 1879 mit der Aufführung von Lessings Minna von Barnhelm statt. Das Theater besaß allerdings zunächst kein eigenes Ensemble, sondern wurde in seinen ersten Jahren von den Ensembles der Hoftheater Weimar und Gotha bespielt, ehe ein eigenes Schauspielensemble gegründet wurde.
Da die Stadt mit ihren Finanzen gut wirtschaften musste und die damals noch privaten Pächter des Theaters daher nur mit unzureichenden städtischen Zuschüssen rechnen konnten, gelangte des Theater zunehmend unter finanziellen Druck. Im Jahr 1927 wurde das Stadttheater daher geschlossen und in den folgenden Jahren nur durch für Gastspiele auswärtiger Ensembles genutzt.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 spielte politische Propaganda eine zentrale Rolle und sollte auch auf den deutschen Bühnen vermittelt werden. Das Stadttheater wurde mit eigenem Schauspielensemble wiedereröffnet und 1941 mit dem Landestheater Gotha zum Landestheater Gotha-Eisenach fusioniert – Gotha brachte dabei sein Opernensemble mit. 1944 folgte kriegsbedingt die Schließung aller deutschen Theater. Im Krieg richtete eine in der Nähe detonierte Luftmine erhebliche Schäden vor allem am rückwärtigen Teil des Theaters an, aber auch das Dach war schadhaft, was im Inneren für weitere Schäden sorgte. Dennoch konnte schon am 7. August 1945 der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden – in den folgenden Jahrzehnten freilich überwiegend mit Inhalten, die sozialistische Werte vermittelten.

1952 zum Landestheater erhoben, wurde das Eisenacher Theater zum Dreispartenhaus und bot fortan sowohl Schauspiel als auch Opern und Operetten. Infolge der Erhebung zum Landestheater fanden außerdem umfangreiche Sanierungs und Umbaumaßnahmen am Theater statt: von außen am ehesten sichtbar war die deutliche Vergrößerung und Erhöhung des Bühnenhauses auf die heutige Größe. Ebenso wurden die Bühnen- und Heizungstechnik erneuert. Weitere Sanierungsarbeiten (Fassade, Innenraum und Technik) erfolgten 1978 mit Blick auf den 100. Geburtstag des Hauses.
Weitere Pläne wurden für die folgenden Jahre geschmiedet: so plante man in den 1980er Jahren u.a., dem Gebäude eine moderne Eingangshalle vorzulagern und es im Bereich des Parkplatzes an seiner Westseite durch einen ebenso modernen Anbau zu erweitern. Dieser sollte Probebühnen und -räume, Materialaufzüge, Magazine und Verwaltungsräume beinhalten. Realisiert wurden diese Pläne bis zur Wende 1989/90 bekanntlich nicht.

Mit der Wiedervereinigung fielen auch die umfangreichen staatlichen Subventionen weg, die den Theaterbesuch für alle erschwinglich machen sollten. Das hatte eine erneute finanzielle Schieflage des Hauses zur Folge, sodass 1994 die Eisenacher Schauspiel- bzw. 2008 die Opernsparte aufgelöst wurden. Drohende Schließungen aufgrund der zeitweise prekären finanziellen Lage Eisenachs konnten – begleitet von überregionalem Protest – glücklicherweise bislang abgewendet werden. Das Theater, das zu seinem längerfristigen Erhalt mittlerweile dem Staatstheater Meiningen angegliedert ist, führt derzeit noch ein eigenes Ballett und ein junges Schauspiel und wird weiterhin für zahlreiche Gastspiele und andere Veranstaltungen genutzt.
 
Bei der auf dem Bild von 2024 sichtbaren Edelstahlkonstruktion auf dem Dach des Theaters handelt es sich um das Werk Die Gedanken sind frei der Installationskünstlerin Pascale Feitner, dessen Titel gerade in Verbindung mit dem Theater an Kraft gewann. Der über sieben Meter breite Albatros „landete“ im Mai 2023 auf dem Dach und verblieb dort bis Ende 2024, nachdem er aus Denkmalschutzgründen wieder demontiert werden musste und einen anderen Standort im Stadtgebiet erhielt.

Bilder:

Früher:
Sammlung Alexander Lambrecht
Ansichtskarte
gelaufen 1959

Heute:
Alexander Lambrecht
Fotografie
16. Juni 2024