Die jahrhundertealte Schlagader der Stadt…

Die Karlstraße verbindet schon seit Alters her den Karlsplatz mit dem Markt. Da es sich dabei um zwei der drei Marktflecken handelte, aus denen sich die Stadt Eisenach entwickelte, gehört auch die Karlstraße zu den überkommenen Straßen der Stadt. Im 12. Jahrhundert tauchte die Stadt erstmals namentlich auf, im selben Jahrhundert ist auch die heutige Karlstraße nachweisbar. Seinerzeit waren hier noch jüdische Kaufleute angesiedelt, weshalb sie ursprünglich auch Judengasse hieß. Ihren heutigen Namen erhielt die Karlstraße erst im Jahr 1825 aus Anlass von Großherzog Carl Augusts 50. Thronjubiläum. Dennoch blieb ein Großteil der Bewohner der Karlstraße jüdisch, weswegen im Hinterhof der Karlstraße 23 auch eine 1897 abgerissene Synagoge gestanden haben soll. Bei der genannten Adresse handelt es sich auf den beiden Bildern um das vierte Haus von links, dem heutigen Café Skyline. Zum Zeitpunkt der älteren Aufnahme, wahrscheinlich um 1875, gehörte dieses Gebäude dem Färbermeister Christian Anhalt, der 1878 letztmals in den Adressbüchern auftaucht.
Überhaupt sind die drei Gebäude in der Mitte auf beiden Bildern gut wiederzuerkennen.
Wo sich heute eine H&M-Filiale befindet, ist am linken Bildrand noch der Vorgängerbau der Karlstraße 17 zu erkennen, in dem der Kaufmann Adolph Schumann eine Textilhandlung betrieb. Das Gebäude gehörte dieserzeit aber dem Landeskammerrat Rudolph Markscheffel. Die Namensgleichheit mit dem heutigen Markscheffelshof ist kein Zufall, denn die Markscheffels waren eine alte Eisenacher Familie, denen über lange Zeit ein Hof im Bereich ebendieser Passage gehörte. Die letzten Reste des Hofs verschwanden auch erst als zu DDR-Zeiten bzw. noch nach der Wende die Bereiche nördlich der Karlstraße für eine Neubebauung abgerissen wurden.
Beim zweiten, heute roten Gebäude handelt es sich um die Karlstraße 19, die sich 1875 im Besitz des Hutmachers August Hiersemann befand, der dort seine „Huthfabrik“ betrieb und sich auch als Hofhutmacher bezeichnen durfte.
Die benachbarte Karlstraße 21 gehörte der Bäckerwitwe Katharina Charlotte Heß, deren Mann einige Jahre zuvor verstorben war. Die Bäckerei wurde jedoch von ihrem Sohn Emil Heß weiterbetrieben.
Die benachbarte Karlstraße 21 gehörte der Bäckerwitwe Katharina Charlotte Heß, deren Mann einige Jahre zuvor verstorben war. Die Bäckerei wurde jedoch von ihrem Sohn Emil Heß weiterbetrieben.
Gut zu erkennen ist das beinahe mittelalterliche Anlitz, das sich die Karlstraße noch bis Ende des 19. Jahrhundert bewahrt hatte. Noch heute finden sich dort vorwiegend kleinere Gebäude und kaum Neubauten des 20. und 21. Jahrhunderts. Eine Vorstellung, wie sich die Karlstraße hätte entwickeln können, geben einerseits das ehemalige Kaufhaus Jantzen (jetzt C&A) oder das Eckhaus Karlsplatz 1, die nicht nur über repräsentative Fassaden verfügen, sondern die historische Bebauung der Karlstraße auch deutlich überragen.
Zu all dem Trubel, der immer schon in dieser schmalen Straße herrschte, kam im Jahr 1909 noch die Straßenbahn hinzu, die hier zwischen Bahnhof, Krankenhaus und Westbahnhof pendelte. Ihr Betrieb endete mit Beginn des Jahres 1976. Danach folgte bis 1979 die Umgestaltung der Karlstraße, durch die bis dato auch Autos und Laster fahren konnten, zur ersten reinen Fußgängerzone der DDR. Als solche wurde sie von 2002 bis 2004 umfassend saniert, wodurch sie ihre heutige Erscheinung erhielt.
Bilder:
Früher:
Sammlung Bernd Bierschenk
Fotografie
um 1875
Heute:
Alexander Lambrecht
Fotografie
26. Dezember 2022