Ein Gasthaus, das kreative Geister anregte…

An der Nordwestecke des Marktes, im Winkel zwischen Badergasse und Georgenstraße, befindet sich dieses eher unscheinbare, aber umso hübschere Gebäude, dessen ältere Aufnahme wohl in die Zeit um 1938/40 einzuordnen ist.
Beim Haus Rodensteiner, wie die Georgenstraße 2 heute genannt wird, handelt es sich um ein altes Bürgerhaus, dessen Ursprünge bereits im Mittelalter liegen. Das Gebäude, wie es heute am Eisenacher Markt sichtbar ist, besitzt einen sehr alten Gewölbekeller; der oberirdische Bau entstand aber im Wesentlichen erst im 17. Jahrhundert. Es ist eines der wenigen erhaltenen historischen Häuser der Altstadt mit noch bzw. wieder sichtbarem Fachwerk. Dieses war jedoch, wie vielerorts, wahrscheinlich im 18. Jahrhundert verputzt worden.
Ende des 19. Jahrhunderts eröffnete im Erdgeschoss des Hauses die Weinstube Schwanitz, die schon zehn Jahre später, im Jahre 1902, den neuen Namen Rodensteiner erhielt. Bald darauf, unter dem neuen Betreiber Adolf Wagner, wurde das Lokal Teil des benachbarten, 1904 neueröffneten Hotels Rautenkranz, dessen Erkerturm rechts im Bild zu erkennen ist. Das Geschichte des Hotels reicht selbst mindestens bis ins frühe 17. Jahrhundert zurück.
Ab 1913 hatte das Lokal einen schon damals weit bekannten Stammgast. Der humoristische Dichter Joachim Ringelnatz hielt sich zu dieser Zeit regelmäßig in Eisenach und auch in der Weinstube Rodensteiner auf. So fand das Haus auch Eingang in die deutsche Lyrik, als Ringelnatz es 1924 in seinem Gedicht Kuttel Daddeldu im Binnenland erwähnte:
Und auf einmal las Kuttel an Luvseite „Zum Rodensteiner“
und kalkulierend, daß dort was zu trinken sei,
klopfte er. Teils vergeblich und teils entzwei.
Weil weder Wirts- noch Freudenhaus noch Retirade
sich öffneten, sagte Daddeldu: „Schade“.
Auch zwei bis heute bekannte Eisenacher Ikonen wurden im Rodensteiner „geboren“: Als Karikaturen des einfachen Eisenachers soll Paul Hempe hier im Jahr 1928 erstmals die beiden Figuren Henner und Frieder gezeichnet haben, die sich in den Folgejahren zu einem festen Bestandteil des Eisenacher Sommergewinns entwickelten. In Erinnerung daran hängen seit 2001 zwei Abbildungen dieser Figuren aus Kupferblech über dem Seiteneingang des Gebäudes.
Im Jahr 1937 wurde das Gebäude renoviert und dabei auch sein hübsches Fachwerk wieder freigelegt. Ebenfalls wurde die Fassade seinerzeit mit Malereien gestaltet, welche Szenen aus dem Leben des namensgebenden Ritter Rodensteiner zeigten. Als sei das Haus ihre Bühne, spielten die aufgemalten Figuren um die Fenster des ersten Obergeschosses herum. So sind sie auf der älteren Aufnahme auch noch gut zu erkennen.
Als letzter Betreiber des Hotels Rautenkranz und der Weinstube Rodensteiner trat Albert Jordan auf, der jedoch 1953 mit seiner Familie die DDR verließ, woraufhin beide Häuser endgültig geschlossen wurden. Während im Hotelgebäude fortan Teile der Stadtverwaltung untergebracht waren, diente das Eckhaus nun Wohn- und Geschäftszwecken und wurde nach der Wiedervereinigung in den 1990er Jahren aufwändig restauriert. Die Malereien an seiner Fassade waren da schon verloren gegangen, doch verkündet seitdem ein Schriftzug in Frakturschrift allen Betrachtern den Namen des Hauses: Rodensteiner.
Bilder:
Früher:
Sammlung Bernd Bierschenk
Fotografie
ca. 1938/40
Heute:
Alexander Lambrecht
Fotografie
19. März 2022