Hauptbahnhof

Wo seit 180 Jahren Menschen aus nah und fern ankommen und verreisen…

Heute zählt Eisenach zu den touristisch bedeutendsten Orten Thüringens. Hunderttausende Gäste besuchen jährlich die Stadt, die vor allem für Martin Luther, Johann Sebastian Bach, Automobile und vor allem die Wartburg bekannt ist. Der Tourismus begann hier vor allem im 19. Jahrhundert, als die gerade im Wiederaufbau befindliche Wartburg immer mehr Gäste anzog und das Reisen nicht nur modern, sondern durch die Eisenbahn auch so einfach wie nie zuvor wurde. Am 24. Juni 1847 nahm auch in Eisenach ein erster Bahnhof seinen Betrieb auf.

Diesen ersten Bahnhof projektierte man zunächst zentrumsnah nahe des ehemaligen Nadeltors, nördlich des Jakobsplans. Nach einigen Bedenken gegen den geplanten Standort, vor allem von Seiten des Gewerbevereins, wurde er schließlich jedoch am östlichen Ende der Nikolaivorstadt an der Stelle errichtet, wo sich einst die Straße in Richtung Gotha bzw. Langensalza gabelte. Eisenachs erstes Bahnhofsgebäude wurde in weniger als einem Jahr errichtet und stellte einen schlichten, aber hübschen, klassizistisch anmutenden Bau dar. Er bestand aus einem länglichen, zweistöckigen Flügel, der beidseitig von je einem dreistöckigen Risaliten eingefasst wurde, und wurde durch mehrere Gesimse gegliedert. Ab 1849 verfügte der Bahnhof über eine Gastronomie, um sowohl abfahrende als auch ankommende Passagiere bestens versorgen zu können. Diese wurde zeitweise von Robert Gröbler betrieben, dem auch das Hotel Gröbler am Karlsplatz gehörte – das spätere Hotel Zimmermann bzw. FDGB-Erholungsheim Tannhäuser.

Zunächst bediente der Bahnhof nur die Bahnstrecke Richtung Halle bzw. Gerstungen, ehe 1858 auch die Werrabahn Richtung Meiningen eröffnet wurde. Dadurch wurde das Bahnhofsgebäude zu einem Inselbahnhof, denn die Gleise verliefen ebenerdig zu beiden Seiten des Gebäudes, das schon in den 1850er Jahren erstmals erweitert werden musste, um dem steigenden Verkehrsaufkommen gerecht zu werden. In jedem der weiteren Jahrzehnte erfolgten weitere An- und Ausbauten des Bahnhofsgebäudes, ehe man sich 1898 für den kompletten Neubau des Bahnhofs entschied. Da aber vor allem die ebenerdig verlaufenden Gleise ein immer größeres Problem im anwachsenden Stadtverkehr darstellten, entwickelte sich der Bau des neuen Bahnhofs zu einem der größten Bauvorhaben der Eisenacher Stadtgeschichte. Um fortan keine Straßen mehr zu kreuzen, wurden die gesamten Bahnanlagen innerhalb der Stadt auf einen bis zu vier Meter hohen Damm mit Natursteinmauern, Brücken und Unterführungen angehoben. Der Bau des Bahndammes wurde 1902 in der Eisenacher Zeitung anerkennend als „Riesenwerk“ bezeichnet.

Parallel dazu erfolgte von 1900 bis 1904 der Bau des neuen, heutigen Empfangsgebäudes etwas südlich des alten. Als ersteres schließlich fertiggestellt war, wurden das alte Bahnhofsgebäude abgerissen und an seiner Stelle ebenfalls höhergelegene Gleise angelegt.
Der neue, im eklektizistischen Stil erbaute Bahnhof mit seinen prächtigen Fassaden und den großzügig angelegten Räumen und Hallen verdeutlichte Eisenachs Pläne, eine international bedeutsame Kur- und Kongressstadt zu werden. Gemeinsam misst das Gebäudeensemble eine Länge von fast genau 100 Metern; allein die 30 Meter lange und fast 12 Meter hohe Schalterhalle mit ihren Buntglasfenstern und kunstvollen Fußböden sorgte bei ankommenden Gästen für einen imposanten ersten Eindruck. Die beiden größten Buntglasfenster zeigen seit 1967 die Motive 70 Jahre Eisenacher Automobilbau und des Ruhlaer Uhrenwerkes auf der Südseite. Die Spitze des Hallengiebels ziert eine weithin sichtbare Uhr mit einem Durchmesser von annähernd 1,80 Metern, die von vier Engelsfiguren eingerahmt wird. Sie verkörpern den Morgen, die Mittagszeit, den Abend und die Nacht. Doch die Kalksteinfassade des Bahnhofs wird durch noch unzählige weitere Details geschmückt, die an dieser Stelle gar nicht alle aufgezählt werden können.

An die große Halle gliederte sich neben den Wartesälen, Schaltern und der Gepäckabfertigung auch wieder ein großzügiges Bahnhofsrestaurant an, das einst mit aufwändigen Tapeten und Wandtäfelungen sowie Palmenpflanzen gestaltet war. Zu DDR-Zeiten wurde das Hauptbahnhof-Restaurant zunächst noch privat und später durch die Mitteleuropäische Schlafwagen- und Speisewagen-Aktien-Gesellschaft (kurz MITROPA) betrieben. In den Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung endete die Zeit der Gastbewirtung in dem eindrucksvollen Saal, der mittlerweile eine Buch- und Zeitschriftenhandlung beherbergt.

Nach der Wende wurde im Eisenacher Bahnhof zudem das erste DB-Reisezentrum auf dem Gebiet der ehemaligen DDR eröffnet. Im Zuge umfassender Sanierungsarbeiten in den folgenden Jahren wurden viele Veränderungen wieder rückgängig gemacht, die das Bahnhofsgebäude zu DDR-Zeiten erfuhr. So sind zum Beispiel große Neonkronleuchter wieder durch eiförmige Lampen ersetzt worden und anstelle simpler Kioskeinbauten der Mitropa befinden sich heute der Bahnhofsshop und ein Bäcker. Insgesamt zeigt sich die Halle heute in einem Zustand, der dem ursprünglichen von 1904 sehr nahekommt.

Heute stellt der Bahnhof, der erst seit Ende 2024 auch offiziell als Hauptbahnhof Eisenach bezeichnet wird, einen allem für den Regionalverkehr wichtigen Verkehrsknoten und einen von nur drei ICE-Haltepunkten Thüringens dar – nur in Erfurt halten mehr Fernverkehrszüge. Mit seiner auch nach über 120 Jahren immer noch eindrucksvollen Erscheinung darf er auch zu Recht als einer der schönsten, wenn nicht gar als schönster Bahnhof einer thüringischen Stadt bezeichnet werden.

Bilder:

Früher:
Sammlung Alexander Lambrecht
Ansichtskarte
um 1904

Heute:
Alexander Lambrecht
Fotografie
17. Mai 2023