Arbeitszimmer des Großherzogs

Wo einst Staatsgeschäfte erledigt wurden, bestaunt man heute die Aussicht…

Direkt nördlich an den Palas der Wartburg schließt sich das Neue Treppenhaus von 1954 an, das auf einem Gewölbekeller aus der ältesten Zeit der Wartburg errichtet wurde. Über dieses Treppenhaus gelangen Besucher der Burg in die obere Etage der sog. Neuen Kemenate mit ihrem charakteristischen dreiseitigen Erker nach Osten.
Anstelle der Neuen Kemenate befand sich ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts das sog. Gemalte Haus. Dabei handelte es sich um ein gotisches Fachwerkgebäude, das einst als Wohnhaus errichtet worden war und seinen Namen wohl aufgrund seiner bemalten Fassade erhielt. Das Haus existierte bis Ende des 18. Jahrhunderts und wurde noch 1777 von Goethe während dessen ersten Wartburgaufenthalts gezeichnet. Acht Jahre später ließ Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach es jedoch abreißen und durch das schlichte, aber massive Neue Haus ersetzen, welches er selbst als Wohngebäude nutzte, wenn er in der Eisenacher Umgebung auf Jagd war.

Im Zuge der Wiederherstellung der Wartburg sollte das Neue Haus 1853-1860 zur Neuen Kemenate umgebaut werden werden. Allerdings wurde so umfassend in die bauliche Struktur eingegriffen, dass der Umbau eher einem Neubau glich. Die Raumaufteilung blieb jedoch teilweise bis heute erhalten.
Bis in die 1950er Jahre waren beide Etagen der Neuen Kemenate baulich fast gleich. An das Treppenhaus schloss sich jeweils ein durch drei Bögen zweigeteilter Raum an. Im Erdgeschoss befand sich der Salon der Burgherrin (Privatbereich der Großherzogin Sophie), das später so genannte Kaiserzimmer, in dem Kaiser Wilhelm II. bei seinen Besuchen wohnte. Im Obergeschoss darüber befand sich das Arbeitszimmer des Burgherrn, Großherzog Carl Alexanders Arbeitszimmer, das auf der alten Ansicht von etwa 1900 zu sehen ist. An beide Räume schloss sich nach Süden jeweils ein Schlafzimmer an.

Der größte Teil der ehemaligen Fürstenwohnung im Mittelteil der Burg fiel in den 1950er Jahren dem Ausbau des Wartburgmuseums und auch den antifeudalistischen Ideologien der frühen DDR zum Opfer. Aufwändige Wandbemalungen wurden überstrichen, historistischer „Kitsch“ und Ausstattung des 19. Jahrhunderts entfernt, darunter die raumteilenden Bögen auf dem Bild. Auch die im Westen angrenzende Dirnitz wurde beinahe vollständig umgebaut, um möglichst viel Platz für die Präsentation der Kunstsammlung der Wartburg zu erhalten. Die einzigen beiden erhaltenen oder wiederhergerichteten Wohnräume sind das edle Fürstenschlafzimmer im Obergeschoss der Neuen Kemenate und das barocke, holzvertäfelte sog. Schweizer Zimmer – beide sind heute Teil des Museumsrundgangs.

Auf dem Foto von 2019 sind über den Fensterbögen freigelegte Fragmente der historischen Wandbemalung des 19. Jahrhunderts zu sehen. Und dort, wo einst Carl Alexander an seinem Schreibtisch die Staatsgeschäfte seines Großherzogtums leitete, bestaunen heute die Touristen die Aussicht aus den Erkerfenstern auf die Stadt Eisenach und die grüne Weite des Thüringer Waldes.

Bilder:

Früher:
Georg Rehlender
„Das Arbeitszimmer des Burgherrn in der Kemenate. Ansicht gen Nordosten.“
aus:
Max Baumgärtel, 1907
„Die Wartburg – Ein Denkmal Deutscher Geschichte und Kunst“

Fotografie
um 1900

Heute:
Alexander Lambrecht
Fotografie
31. Mai 2019